Rechtsanwaltskanzlei

Klimaschutz erlangt Verfassungsrang

Wo wohnen wenig kostet – bleibt einer großen Möbelhauskette vorbehalten.

Die Preise für den Neubau konventionell gefertigter Wohngebäude in Deutschland sind nach Angaben
des Statistischen Bundesamtes (Destatis) im Mai 2022 um 17,6 % gegenüber Mai 2021 gestiegen.
Dies ist der höchste Anstieg der Baupreise gegenüber einem Vorjahr seit Mai 1970 (+18,9 % gegenüber Mai 1969).
Im Februar 2022, dem vorherigen Berichtsmonat der Statistik, waren die Preise im Vorjahresvergleich um 14,3 % gestiegen.
Im Vergleich zum Februar 2022 erhöhten sich die Baupreise im Mai 2022 um 6,6 %.
Alle Preisangaben beziehen sich auf Bauleistungen am Bauwerk einschließlich Mehrwertsteuer.

Quelle: Statistisches Bundesamt (Destatis), 2022

I.Aktuelles

Immer wieder erreichen uns Anfragen von Mandanten, die die Umsetzung der elektronischen Signatur betreffen. Um etwaigen Unsicherheiten keinen Raum zu bieten, lesen Sie hier welche Anforderungen eine elektronische Signatur erfüllen muss, welche Formen es gibt und wie elektronische Signaturen zum Einsatz kommen1:

Mit der Umsetzung der eIDAS-Verordnung (Verordnung (EU) Nr.910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG)gibt es EU-weit einheitliche Anforderungen an elektronische Signaturen. Dabei werden drei Stufen von Signaturen unterschieden:

Elektronische Signatur, (einfache Signatur)

Die elektronische Signatur besteht aus Daten in elektronischer Form und ist mit anderen elektronischen Daten verknüpft. Sie dient dazu, ein Dokument zu unterzeichnen. Eine eingescannte händische Unterschrift zählt beispielsweise als solche. Aber auch ein Kreuz oder ein Haken in einem in elektronischer Form vorliegenden Formular zählen bereits dazu.

Die einfache elektronische Signatur ist die schwächste Form der Signatur und ist am besten für Transaktionen geeignet, die mit einem geringen rechtlichen Risiko verbunden sind. Im Unternehmen ist dies hauptsächlich für interne Dokumente geeignet, wie Anordnungen oder Reisekostenabrechnungen.

Technisch lässt sich die elektronische Signatur beispielsweise durch den Versand per E-Mail oder durch Einfügen des Namens des Unterzeichners in ein Dokument erstellen.

Fortgeschrittene elektronische Signatur

Die fortgeschrittene elektronische Signatur ist eine elektronische Signatur, die eindeutig dem Unterzeichner zugeordnet werden kann und dessen Identifizierung ermöglicht. Zusätzlich muss er diese unter Verwendung elektronischer Signaturerstellungsdaten erstellen, die der Unterzeichner nur unter seiner alleinigen Kontrolle nutzen kann. Sie ist so mit den unterzeichneten Daten verbunden, dass eine nachträgliche Veränderung sichtbar wird.

Die fortgeschrittene elektronische Signatur ist eine erweiterte Signatur, die die Prüfung der Gültigkeit im Streitfall vereinfacht und sich daher für Transaktionen eignet, die mit einem mittleren rechtlichen Risikoverbunden sind. Sie eignet sich hauptsächlich für B2B-Transaktionen, wie Angebote und Verträge.

Bei der Umsetzung genießen Unternehmen viele Freiheiten. Es gelten die internationalen Standards PGP oder S/MIME. Viele Produkte, wie beispielsweise Adobe Acrobat integrieren mittlerweile die fortgeschrittene digitale Signatur.

Qualifizierte elektronische Signatur

Die qualifizierte elektronische Signatur ist eine mit einer sicheren Signaturerstellungseinheit erstellte und auf einem qualifizierten Zertifikat beruhende elektronische Signatur. Durch die unterschiedlich starken Anforderungen an die verschiedenen Signaturarten und den damit verbundenen Aufwand unterscheidet sich auch die empfohlene Verwendung.

Die qualifizierte elektronische Signatur entspricht einer persönlichen Unterschrift und bietet so die höchste Beweiskraft bei digitalen Signaturen.Sie ist damit für alle Transaktionen und Unternehmen geeignet, bei denen eine eigenhändige Unterschrift gesetzlich vorgeschrieben ist, wie bei Verbraucherkrediten oder Zeitarbeit.

Das verwendete Zertifikat bedarf der Erstellung durch einen qualifizierten Vertrauensdienst. Für deutsche Anbieter gilt dasVertrauensdienstegesetz (VDG), das am 29.07.2017 in Kraft getreten ist.Zusätzlich muss auch die zur Signierung verwendete Software und Hardware -üblicherweise Smartcard und Kartenleser – bestimmte Sicherheitsanforderungen erfüllen.

Für deutsche Produkte führt das Bundesamt für Sicherheit und Informationstechnik (BSI) hierzu eine entsprechende Liste. Dank der zugrundeliegenden EU-Richtlinien können auch Signatur-Produkte, die in anderen EU-Staaten zugelassen sind, hierzulande eingesetzt werden.

Elektronische Siegel

Analog zu den elektronischen Signaturen gibt es auch elektronische Siegel. Diese entsprechen den jeweiligen Signaturarten. Allerdings ist hier bei der Unterzeichner keine natürliche Person, sondern eine juristische Person.

Sie sind zur Integritätssicherung von Daten geeignet, bei denen keine Unterschrift vorgeschrieben ist, beispielsweise bei Kontoauszügen.

Zertifizierte Produkte sind auf der Website des BSI (https://www.bsi.bund.de) zu finden.

II. Entscheidung im Überblick

Baugrundrisiko ist Auftragnehmerrisiko!

Wird der Baugrund in der Leistungsbeschreibung nicht näher beschrieben und werdeninsbesondere keine Einschränkungen bezüglich der Bodenklassen gemacht, ist derAushub des jeweils vorgefundenen Bodens geschuldet und von der vereinbarten(Pauschal-)Vergütung umfasst. Das gilt auch dann, wenn dem Auftragnehmer keinekonkreten Erkenntnisse über die Baugrundverhältnisse vorliegen.

OLG Bamberg, Beschluss vom09.10.2019 – 4 U 185/18; BGH, Beschluss vom 09.03.2022 – VII ZR 246/19 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

DerAuftragnehmer (AN) bietet dem Auftraggeber (AG) die Errichtung eines Rohbauseinschließlich des dafür erforderlichen Bodenaushubs an. Das Angebot enthältkeine Einschränkungen bezüglich der Bodenklasse. Der AN geht beiAngebotserstellung vom Vorhandensein einer Bodenklasse 3 bis 5 aus. Nach Beginnder Ausführung stellt er fest, dass eine höhere Bodenklasse vorliegt, und machthierfür einen Anspruch auf zusätzliche Vergütung geltend.

Ohne Erfolg!

Der AN schuldet den Baugrubenaushub,denn dieser ist vom Leistungssoll umfasst. Dessen Angebot enthält bezüglich derBodenklasse keine Einschränkung, obgleich hierzu zum Zeitpunkt derAngebotserstellung keine konkreten Feststellungen vorlagen. Vor Beginn derArbeiten hat niemand genau gewusst, welche Bodenklasse nach Beginn der Arbeitenangetroffen wird. Bestimmte Bodenverhältnisse sind somit nicht zumVertragsinhalt erhoben worden. Daher liegt auch keine Soll-Ist-Abweichung vor,die zu einer Änderung der Vergütung führt. Der AN hat das Risiko der Bodenverhältnisseübernommen.

Unser Praxistipp:Die Annahmesämtliche mit dem Baugrund einhergehenden Probleme seien Sache desAuftraggebers, da dieser als Grundstückseigentümer und Veranlasser derBaumaßnahme „das“ Baugrundrisiko trage ist nicht richtig. Es gibtnicht nur das eine Baugrundrisiko, sondern der Baugrund birgt zahlreicheRisiken, wie etwa vom Vertrag abweichende Bodenverhältnisse oder unerwarteteSetzungen. Da im Werkvertragsrecht nicht automatisch derjenige für ein Risikoeinstehen muss, aus dessen Sphäre dieses stammt, müssen die Rechtsfolgen, diesich aus den unterschiedlichen Baugrundrisiken ergeben, verschieden betrachtetwerden. Dabei zeigt sich, dass Baugrundrisiken in der RegelAuftragnehmerrisiken sind, wenn nicht anders vereinbart (ausführlich dazu Bolz,NJW 2022, 1709, 1710 ff.).

Etwas anderes gilt, wenn der Auftraggeber den Baugrund beschreibt und der Auftragnehmer auf andere als die angegebenen Baugrundverhältnissetrifft. Wird der Boden in der Leistungsbeschreibung hingegen nicht beschrieben,ist – wie entschieden – der Aushub des jeweilig vorgefundenen Bodens geschuldetund von der Preisvereinbarung umfasst. Maßgeblich ist also in erster Linie de rerforderlichen falls durch Auslegung zu ermittelnde Vertragsinhalt.

III. Entscheidung im Detail

Nachbarstreit: Duldungspflicht für grenzüberschreitende Wärmedämmung

Eine Grundstückseigentümerin ist mit ihrer Revision beim BGH gescheitert und mussdie grenzüberschreitende Dämmung der Hausfassade ihrer Nachbarin dulden. DerBGH bestätigte damit die Entscheidungen der Vorinstanzen. Der BGH war von derVerfassungswidrigkeit der einschlägigen Regelung des Berliner Nachbargesetzesnicht überzeugt, äußerte aber Zweifel an einer Vereinbarkeit mit Art. 14 GG.

BGH, Urt. v. 01.07.2022 – V ZR 23/21

Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke in Berlin. Die Klägerin willIm Rahmen einer Fassadensanierung den grenzständigen Giebel ihres Gebäudes miteiner 16 cm starken mineralischen Dämmung versehen und in diesem Umfang überdie Grenze zum Grundstück der Beklagten hinüberbauen. Das Amtsgericht hat dieBeklagte verurteilt, die Überbauung ihres Grundstücks zum Zwecke der Wärmedämmung der grenzständigen Giebelwand des klägerischen Gebäudes zu dulden.Das Landgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der von demLandgericht zugelassenen Revision wollte die Beklagte die Abweisung der Klageerreichen.

Ohne Erfolg!

Der Anspruch des Grundstückseigentümers aus § 16a NachbarG BIn auf Duldung einergrenzüberschreitenden Wärmedämmung hat einzig zur Voraussetzung, dass die Überbauung zum Zwecke der Dämmung eines bereits bestehenden, entlang derGrundstücksgrenze errichteten Gebäudes erfolgt. Diese Voraussetzung ist nachdem BGH vorliegend gegeben.

Der BGH hat im Ergebnis nicht beanstandet, dass das Berufungsgericht dieVerfassungsmäßigkeit von § 16a NachbarG BIn bejaht und seine Entscheidung aufdiese Norm gestützt hat. Der Senat hatte keinen Anlass, seinerseits dasVerfahren auszusetzen und gemäß Art. 100 Abs. 1 GG eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, weil er von der Verfassungswidrigkeit der Norm nicht überzeugt ist. Der Senat hat allerdings Zweifel an der materiellenVerfassungsmäßigkeit von § 16a NachbarG, insbesondere an der Vereinbarkeit derNorm mit Art. 14 Abs. 1 GG. 

Fraglicherscheint dem Senat dabei, ob die Norm im engeren Sinne verhältnismäßig ist,namentlich ob sie die Interessen des duldungspflichtigen Nachbarn noch in einerWeise berücksichtigt, dass der gesetzgeberische Gestaltungsspielraumeingehalten ist.

Duldungsanspruchohne Einschränkungen?

§16a NachbarG BIn enthält keine Einschränkungen des Duldungsanspruchs imHinblick auf den Umfang der Beeinträchtigung des Nachbarn und die Zumutbarkeitder Überbauung. So wäre der Duldungsanspruch etwa auch dann gegeben, wenn diegrenzüberschreitende Dämmung dazu führt, dass der Platz auf demNachbargrundstück nicht mehr ausreicht, um Mülltonnen oder Fahrräderabzustellen oder über einen Weg zwischen den Häusern zur Straße zu bringen.

Allerdingswerden die Interessen des von der Überbauung betroffenen Nachbarn in § 16a NachbarGBIn zumindest in einem gewissen Umfang berücksichtigt. So ist derduldungsverpflichtete Nachbar berechtigt, die Beseitigung des Überbaus zuverlangen, wenn und soweit er selbst zulässigerweise an die Grenzwand anbauenwill, auch wird dem Begünstigten des Wärmeschutzüberbaus auferlegt, dieWärmedämmung in einem ordnungsgemäßen und funktionsgerechten Zustand zuerhalten und die wärmegedämmte Grenzwand zu unterhalten.  

Schließlichist das Recht so zügig und schonend wie möglich auszuüben und darf nicht zurUnzeit geltend gemacht werden. Zudem ist der duldungspflichtige Nachbar für dieBeeinträchtigung der Benutzung seines Grundstücks durch eine Geldrente zuentschädigen. 

Im Ergebnis erscheint es dem Senat daher durchaus möglich, dass § 16a NachbarG BInnoch als verhältnismäßig anzusehen ist. 

Nicht nur Individualinteressen betroffen

Dabeiist zu berücksichtigen, dass die Regelung aus Sicht des Gesetzgebers nichtallein das Verhältnis zweier Grundstückseigentümer untereinander betrifft,deren Individualinteressen zum Ausgleich zu bringen sind, sondern vor allem demKlimaschutz und damit einem anerkannten Gemeinwohlbelang dient, dem über dasaus Art. 20a GG abgeleitete Klimaschutzgebot Verfassungsrang zukommt (vgl.hierzu BVerfGE 157, 30). Das wirtschaftliche Interesse desGrundstückseigentümers an der Einsparung von Energie durch eine grenzüberschreitendeDämmung seines Bestandsgebäudes wird nicht als solches, sondern deswegen höhergewichtet als das entgegenstehende Interesse des Nachbarn an der vollständigenNutzung seines Grundstücks‚ weil es sich mit dem – Interesse der Allgemeinheitan der möglichst raschen Dämmung von Bestandsgebäuden deckt. 

Zwarerscheint dem Senat bedenklich, dass individuelle Interessen des Nachbarnselbst dann keine Berücksichtigung finden, wenn im Einzelfall die Annahme einerUnzumutbarkeit der Duldungsverpflichtung naheläge. Es ist aber nicht zuverkennen, dass der Streit zwischen den Nachbarn über die Frage, ob ein solcherAusnahmefall vorliegt, bei jeder einzelnen Maßnahme zu einer unter UmständenJahre währenden Verzögerung oder sogar dazu führen kann, dass derGrundstückseigentümer von der Dämmung seines Gebäudes ganz absieht.

DerSenat hält es daher für nicht ausgeschlossen, dass der generalisierende Ansatzdes Berliner Landesgesetzgebers, den Duldungsanspruch klar und einfach zuregeln, um auf das Ganze gesehen die Durchführung möglichst vieler und rascherDämmmaßnahmen zu erreichen, noch zulässig ist, auch wenn damit für denjeweiligen Nachbarn im Einzelfall gewisse – unter Umständen auch erhebliche – Härten verbunden sein mögen.

Unser Praxistipp:Der Bundesgerichtshof hat mit diesemUrteil den Klimaschutz als entscheidendes Kriterium herangezogen. Bei der Frageder Wärmedämmung sei es danach zulässig, die Eigentumsrechte eines Nachbarnzurücktreten zu lassen, da der Schutz des Klimas Verfassungsrang habe.

Auch wenn diese Entscheidung zunächst dasLandesrecht Berlin betrifft, ist zu erwarten, dass die Begründung des BGH auchauf landesrechtliche Normen der übrigen Bundesländer Anwendung findet undschließlich bundeseinheitlich   wird. Wirwerden Sie stets über die neueste Entwicklung informieren.

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